hans neuburg
die konstruktiv-meditative malerei von elena lux-marx
die these von der stetigen wandelbarkeit und unerschöpflichkeit der konstruktiven, konkreten kunst erhält durch das schaffen der deutschen, im frühling 1944 geborenen malerin elena lux-marx erneute bestätigung, als sie ihre werke, zusammen mit denjenigen des glaskünstlers renato santarosso, vor fünfzehn monaten in derselben rapperswiler galerie seestrasse zeigte, wurde manchem aufmerksamen betrachter bewusst, dass hier eine auf eigenen erkenntnissen beruhende malerei zur geltung kam.
heute, angesichts weiterentwickelter werkreihen, wird der fachmann und interessierte bewunderer geometrisch-konstruktiver kunst erkennen, dass es sich bei dieser künstlerin tatsächlich um innovative veranlagung handelt. schon in berlin, hamburg und zuletzt in london war sie auf dem gebiet einer äusserst subtilen parzellengestaltung tätig. das klima zürichs, wo sie vor drei jahren wohnsitz nahm, scheint ihren konzeptionen die bei solch differenzierter kunst unerlässliche tiefe verliehen zu haben. Waren ihre motive vor gar nicht langer zeit noch bewusster auf das geometrisch-konstruktive ausgerichtet, so sind ihre arbeiten in dem sinn reifer geworden, als sich die transzendenz der unerhört feinen vergitterung und darauf bezogenen farbgebung intensivierte. aus gewisser distanz betrachtet, gewahrt man ungemein zarte verläufe in horizontaler, bisweilen auch vertikaler linienführung, bei denen besonders die gegenläufigen bewegungen der farbstreifen magische eindrücke vermitteln. tritt man näher an das bild heran, entdeckt man feinste viereck-strukturen, die in ihrem ablauf ein verebben bzw. eine steigerung der farbzonen bestimmen. man könnte versucht sein, bei gewissen ihrer bilder parallelen zur englischen malerin bridget riley festzustellen, aber bei eingehendem studium der gestalterischen absichten von elena lux-marx wird man eher eine geistige verwandtschaft zu den wundersamen sequenzen «hommage to the square» von josef albers beobachten. dass diese malerin giorgio morandi für seine nach der periode der pittura metafisica entstandene darstellungswelt schätzt, spricht für ihre neigung zu meditativer abgeklärtheit, die in ihren meist grossformatigen acrylbildern, trotz aller stille, zu sonorer prachtentfaltung führt. es erstaunt nicht, dass elena lux-marx gern oboe spielt und namentlich der kontrapunktischen melodik bachs zugetan ist. sie erwähnt beiläufig, aber doch mit kaum merklichem nachdruck, für sie seien alle malerischen hervorbringungen aus der naturwahrnehmung abgeleitet und sie möchte wünschen, dass selbst uneingeweihte von ihren kontemplativen lösungen einigermassen berührt werden — woran niemand zweifeln wird.
Text anlässlich der Ausstellung die konstruktiv-meditative malerei von elena lux-marx. galerie seestrasse, Rapperswil SG, Schweiz 1981
Hans Neuburg (1904-1983) Reklamechef, Grafiker, Ausstellungsgestalter, Redaktor verschiedener Grafikzeitschriften, Kunstkritiker u.a. beim Tagesanzeiger und der Neuen Züricher Zeitung.